Ernährungssicherheit

Warum Landwirtschaft die Tierhaltung braucht

Nutztiere wie Rinder verwerten pflanzliche Rohstoffe, die für Menschen gänzlich ungeeignet sind. Daher sind die Tiere ein wichtiger Bestandteil des landwirtschaftlichen Kreislaufs, der eine nachhaltige Lebensmittelerzeugung erst möglich macht

Die Getreideernte fiel 2023 laut Statistischem Bundesamt schlechter aus als im Vorjahr. Ein Grund für manchen Experten, vor Versorgungsengpässen zu warnen und zu diskutieren, ob man durch den Verzicht auf Tierhaltung mehr Menschen ernähren könnte. Denn rund die Hälfte des Getreides lande in den Trögen und nicht auf den Tellern, so ihr Argument. Zusätzlich stünde mehr Ackerfläche für den Anbau von pflanzlichen Nahrungsmitteln zur Verfügung. Doch existiert wirklich eine Nahrungskonkurrenz zwischen Mensch und Nutztier? Ernährungswissenschaftler Dr. Malte Rubach meint: „Es gilt, den Mittelweg zwischen Flächenkonkurrenz und Nahrungsmittelproduktion zu finden.“ Hier die Ergebnisse unserer Nachforschungen.

1 Flächennutzung eine Übersicht

In Deutschland werden 16,6 Millionen Hektar Fläche von der Landwirtschaft genutzt. Nicht ganz ein Viertel davon ist Grünland, also Wiesen und Weiden. Sie eignen sich meistens wegen ihrer Lage nicht als Ackerfläche. Ein Viertel wird für den Futteranbau verwendet. Ein weiteres Viertel entfällt auf den Anbau von Lebensmitteln. Das restliche Viertel wird für den Anbau von Energie- und Industriepflanzen genutzt oder es handelt sich um stillgelegte Flächen und Brachen.

2 Getreide ist nicht gleich Getreide

Brotweizen muss Mindeststandards erfüllen. Zum Beispiel muss er einen bestimmten Eiweißgehalt aufweisen. Denn Weizenproteine machen das Brotbacken erst möglich. Getreide, das an dieser Hürde scheitert, wird meist als Viehfutter verwendet. Die Hälfte der Weizenernte erfüllte 2023 nach Einschätzung des Bayerischen Müllerbundes nicht die Qualitätsnorm.

3 Fläche ist nicht gleich Fläche

Brotweizen zum Beispiel ist anspruchsvoll und benötigt nährstoffreiche Böden mit einer hohen Wasserspeicherkapazität, also eignet sich auch nicht jeder Acker für den Anbau von Brotweizen. Daher wird an solchen Standorten häufig Futtergetreide angebaut.

4 Zum Wegwerfen zu schade

Auch bei der Erzeugung von Lebensmitteln wie Speiseöl, Süßigkeiten, Brot oder Bier fallen Nebenprodukte an, die für Menschen nicht essbar sind. Wird ein Kilo dieser Lebensmittel hergestellt, fallen dabei vier Kilo für den Menschen nicht genießbare Pflanzenmasse an. Dazu zählen Weizenkleie, Zuckerrübenschnitzel, Bierhefe oder Ölkuchen. Hieraus entsteht nachhaltiges Tierfutter. Auch aus den rund 11 Millionen Tonnen Lebensmitteln, die gemäß Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft jährlich in Deutschland weggeworfen werden, wird teilweise Nutztierfutter erzeugt.

5 Fruchtfolgen machen den Boden fit

Heutzutage bauen die Landwirte abwechselnd verschiedene Pflanzenkulturen an, etwa Weizen, Mais und Gerste, und halten dabei bestimmte Abfolgen ein. Damit die Felder das ganze Jahr über grün und vor Erosionen geschützt sind und weiter Humus aufbauen, werden innerhalb der Abfolge Zwischenfrüchte ausgesät.

6 Unsere zuverlässigen Lebensmittelversorger

Nutztiere fressen das Futter, das Menschen nicht essen können oder das minderwertig ist, und sorgen auf diese Weise für wertvolle tierische Lebensmittel wie Milch, Milchprodukte, Eier oder Fleisch. Somit leisten Nutztiere einen wichtigen Beitrag zur Flächen- und Ressourcennutzung von Pflanzen und Pflanzenresten und sichern gleichzeitig unseren Lebensmittelbedarf.

7 So wertvoll wie ein kleines Steak

Allein 185 Gramm Rindfleisch decken den Tagesbedarf eines Menschen an Proteinen. Wenn der Mensch diesen durch Gemüse oder Getreide abdecken wollte, müsste er 415 Gramm Haferflocken – also fast eine ganze Packung essen. Grundsätzlich gilt: Milch und Fleisch enthalten hochwertiges Eiweiß, lebenswichtige Fettsäuren, Vitamine und Mineralstoffe. Ernährungsexperte Dr. Malte Rubach sagt: „Es ist doch viel nachhaltiger, die Rohstoffe direkt zu essen, als daraus ein hochverarbeitetes Industrie­produkt herzustellen. Dann lieber Fleisch konsumieren, denn Tiere essen im Gegensatz zu den Menschen die ganze Pflanze, wohingegen beim menschlichen Verzehr rund 80 Prozent davon weggeworfen werden.“

8 Kuhfladen – gut für Pflanzen und Böden

Rinder liefern Gülle, Jauche und Mist für die Felder. Der organische Dünger enthält wichtige Nährstoffe, die für den Pflanzenbau unerlässlich sind. Dadurch kann chemischer Dünger eingespart werden. Allein 41 Prozent der verwendeten Stickstoff-Düngemenge stammt laut Verband Rind & Schwein in Deutschland aus der Tierhaltung beziehungsweise aus Biogasanlagen. Tierernährungsexperte Prof. Dr. Wilhelm Windisch erklärt: „Die landwirtschaftliche Nutzung entzieht dem Boden fortlaufend essenzielle Nährstoffe wie Phosphor und Stickstoff. Diese Stoffe müssen zurück in den Boden, um ihn fruchtbar zu halten. Das übernehmen die Tiere.“

9 So wertvoll wie ein kleines Steak

Der Anteil der gesamten Landwirtschaft an den Treibhausgasemissionen in Deutschland liegt bei etwa acht Prozent. Die Methanemissionen, die bei Rindern durch die Verdauung entstehen, machen laut Umweltbundesamt mit 69 Prozent den Hauptanteil der Treibhausgasemissionen in der deutschen Landwirtschaft aus. Methan hat zwar ein 28-faches klimaerwärmendes Potenzial im Vergleich zu CO2. Doch Agrarwissenschaftler Wilhelm Windisch nennt einen wesentlichen Unterschied: „Methan ist ein kurzlebiges Treibhausgas mit einer Lebensdauer von zwölf Jahren. Das Methan, das die Nutztiere dieser Welt vor dem Jahr 2010 ausgeschieden haben, trägt heute nicht mehr zum Klimawandel bei“, sagt er. Und Dr. Malte Rubach fordert: „Mein Wunsch lautet, dass die Menschen beide Seiten, also eben auch die Nachteile einer veganen Ernährung für die Umwelt, bei ihrer Entscheidung berücksichtigen.“

Fazit

Ein lebenswichtiger Kreislauf entsteht

Pflanzliche Lebensmittel und Nutztiere stehen nicht in Konkurrenz zueinander. Die Nahrungsproduktion ist ein fein ausbalanciertes Gesamtsystem, das ohne die Nutztierhaltung nicht funktio­nieren würde.

Quellen: Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO), Umweltbundesamt