Ernährungssicherheit

Foto: KWS

Je nach Höhe und Gewicht erzeugt der Helikopter entsprechend starke Winde, denen die verschiedenen Maistypen standhalten sollten

Wenn ein Helikopter über das Maisfeld fliegt

Saatgutspezialist KWS setzt eine ganz besondere Methode ein, um die Standfestigkeit von Mais zu prüfen

Feiner graubrauner Staub wirbelt auf. In einer Höhe von nur zehn Metern überfliegt ein Helikopter einen Feldweg und das daran angrenzende Maisfeld. Immer wieder zieht er seine Kreise über den hohen grünen Pflanzen. Es sieht so aus, als würden der Pilot und die drei Insassen etwas oder jemanden auf dem Acker suchen. Doch weit gefehlt. Zweimal im Jahr mietet das Saatgutunternehmen KWS einen Helikopter, um die Standfestigkeit von Mais auf den Versuchsfeldern bei Klein Wanzleben zu prüfen.

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Für diese Tests gibt es zwei gute Gründe: Zum einen dürfen Maispflanzen nicht gleich bei Sturmböen oder Starkregen einknicken. Denn dadurch gäbe es Ernteeinbußen. Neben ex­tre­men Wettersituationen spielt ein weiterer Aspekt hierbei eine Rolle. Durch die stetige Verbesserung der Züchtungsergebnisse werden die Maiskolben immer ertragreicher und schwerer. Dadurch können die meterhohen Pflanzen leichter umknicken. Die Folge ist gravierend: Umgefallene Maispflanzen lassen sich nicht mehr ernten.

„Snap“ nennen es die Fachleute, wenn eine Maispflanze durchbricht. Sie wird dann nicht mehr mit Nährstoffen versorgt. „Mais, der umfällt, umknickt oder bricht, ist für die Landwirte quasi nicht mehr nutzbar“, sagt Dirk Wolkenhauer, Leiter der KWS Zuchtstation Klein Wanzleben. Deshalb wird bei der Züchtung einer Sorte die Standfestigkeit auch genauestens geprüft.

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„Früher hatten wir viele Maisversuchsfelder am Meer stehen, weil es dort in der Regel windiger ist als im Inland. Und wir haben auch vom Boden aus getestet“, erklärt Sophie-Charlotte Wiersdorff. Die technische Assistentin für Leistungsprüfung Mais weiter: „Aber alle Ergebnisse waren ungenau und nicht ­zufriedenstellend, da die Konditionen jedes Mal anders waren oder sich während einer Versuchsreihe veränderten.“ Dadurch war ein Vergleich verschiedener Pflanzentypen unter denselben Bedingungen nicht möglich.

„Wir suchten nach einer Lösung, mit der man künstlich dieselben Windstärken auf den Versuchsparzellen so oft wiederholen beziehungsweise reproduzieren kann, wie es notwendig ist“, so Dirk Wolkenhauer. 2018 wurden sie fündig. Ein Kollege aus Holland kam auf die Idee, Hubschrauber einzusetzen.

Seitdem überfliegt ein Helikopter zweimal im Jahr die Versuchsfelder, auf denen Maistypen mit verschiedenen genetischen Zusammensetzungen herangewachsen sind. „Das erste Mal im Juli, kurz bevor der Mais vor der Blüte steht, und dann noch ein weiteres Mal im Oktober, also kurz vor der Ernte der Versuchsflächen“, erklärt Sophie-Charlotte Wiersdorff.

Video: Wie Helikopter bei der Züchtung von Maissorten helfen

Zweimal im Jahr mietet KWS einen Hubschrauber, um die Standfestigkeit von Mais zu testen

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Für die Tests im Frühsommer werden die Versuchsparzellen fünf Tage vorher beregnet, damit sich die Pflanzen voll Wasser saugen. Bevor es in die Luft geht, legt einer der KWS-Verantwortlichen die Flugroute fest und entscheidet, wie tief geflogen wird und welche Windstärke simuliert werden soll. „Die Windkraft, die der Helikopter erzeugt, hängt mit von seinem Gewicht ab. Auch das bestimmen wir vorher“, ergänzt Dirk Wolkenhauer. Gar nicht so einfach. „Wir mussten uns erst langsam an diese Testmethode und deren Möglichkeiten herantasten.“

Insgesamt rund sechs bis sieben Runden dreht der Hubschrauber jeweils über einem Versuchsfeld. Anschließend wird mit einer Drohne aufgezeichnet, welche und wie viele Maispflanzen abgeknickt sind. „Diese zählen wir am Ende auch nochmals händisch nach“, sagt die technische Assistentin. Bestmöglich bleiben trotz der starken Windschübe Zweidrittel der Pflanzen stehen. Alle Ergebnisse werden an die Züchter weitergegeben und enthalten wichtige Informationen für das weitere Züchtungsprogramm. „Es wird anschließend nur mit den Pflanzentypen weitergearbeitet, die standfest geblieben sind“, sagt der Standortleiter.

„Es ist unsere Aufgabe, über Dinge nachzudenken, die es noch nicht gibt.“ So nennt er noch ein weiteres Beispiel, das überrascht: „Bei Rübenversuchen nutzen wir eine Technologie, bei der wir mithilfe von Kameras das Wurzelwachstum von rund 1500 unterschiedlichen Pflanzen beobachten können.“ Eine ganze Woche dauere ein solcher Testdurchlauf.

Mittlerweile sind auch die Kollegen, die für die Getreidezüchtung verantwortlich sind, auf die Helikoptertests aufmerksam geworden. Sie können sich vorstellen, ebenfalls Hubschrauber für ihre Versuche einzusetzen.