Porträt

Foto: David Spencer

Pflanzen sind seine Leidenschaft
Dr. David Spencer ist den Pflanzen auf der Spur. Und der „Pflanzenflüsterer“ teilt gern sein Wissen in Podcasts, Videos und Büchern

Faszinierende Pflanzenwelt

Dr. David Spencer ist Pflanzenbiologe und Wissenschaftsjournalist. Er möchte die Gesellschaft von der Faszination der Pflanzenwelt überzeugen. Dafür betreibt er den YouTube-Kanal „Krautnah“

Neuentdeckungen
David Spencer berichtet auf seinen Kanälen über Entdeckungen in der Pflanzenwelt und neueste Züchtungsmethoden

Foto: Biocom

Welches ist Ihre Lieblingskulturpflanze?

Die Kartoffel. Sie ist im Hinblick auf Deutschland eine identitätsstiftende Feldfrucht. Und sie liefert viele lebenswichtige Kalorien. Eigentlich stammt sie aus Südamerika. Wenn man dort ist, stellt man fest, wie viele verschiedene Sorten es tatsächlich gibt. Noch viel mehr als hier. Außerdem ist die Kartoffel sehr schlau.

Wie meinen Sie das?

Es kann passieren, dass eine Kartoffel grün wird, wenn sie ans Tageslicht kommt. Damit will sie sich schützen, um nicht von Insekten, Pilzen oder anderen Bioorganismen angeknabbert zu werden. Die Grünfärbung resultiert daher, dass sie Solanin, einen Giftstoff, produziert. Das meiste Solanin befindet sich in der Kartoffelschale. Von daher ist es ratsam, Kartoffeln vor dem Verzehr zu schälen.

Haben Pflanzen und Menschen Gemeinsamkeiten?

Ja, sie haben einen ähnlichen Stoffwechsel, und die Pflanzen sind wie die Menschen angewiesen auf Nährstoffe, Wasser und Sonnenlicht. Schaut man sich die geschichtliche Entwicklung von Pflanzen an, begann alles mit den Algen. Vor Abertausend Jahren schwammen einzellige Algen wie Nomaden durch den Ur-Ozean, immer auf der Suche nach den perfekten Licht- und Nährstoffbedingungen. Dann wurden sie sesshaft und gründeten Gesellschaften mit Pilzen und Bakterien, um in der urzeitlichen, sehr steinigen Welt überleben zu können. Oder betrachtet man Kohlsorten wie Rot- und Grünkohl: Sie alle basieren auf ein und derselben Art, sind aber trotzdem sehr vielfältig in ihren Sorten. Diese Individualität ist bei Menschen nicht anders. Auf jeden Fall können Menschen viel von Pflanzen lernen.

Die wunderbare Welt der Pflanzen
In seinem Sachbuch erklärt der Autor auf unterhaltsame Weise die Superkräfte der Pflanzen und wie wir uns diese zunutze machen können

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Jetzt sprechen Sie die Superkräfte der Pflanzen an.
Was ist damit gemeint?

Zum einen können Pflanzen wie Kartoffeln sich selbst verteidigen und ihre Fraßfeinde vertreiben, indem sie Abwehrstoffe bilden. Zum anderen schaffen manche Pflanzen Illusionen. Capsaicinhaltige Früchte wie Chilis oder Pimientos gaukeln dem Menschen beim Verzehr Schmerz vor, sodass er ein Hitzeempfinden verspürt und zu schwitzen beginnt. Das ist aber in Wirklichkeit gar nicht so, sondern findet nur in seinem Kopf statt. Die Minze zum Beispiel löst beim Essen das Gegenteil aus, nämlich ein Kälteempfinden. Die dritte Superkraft ist die Regulierung des eigenen Wasserhaushalts. So können Kräuter wie Salbei ihren Feuchtigkeitsgehalt kontrollieren, indem eine Wachsschicht auf ihren Blättern Verdunstungen verhindert. Und es gibt tolle Klima- und Bodenschützer wie Bohnen oder Erbsen. Sie gehören zu den Leguminosen und gehen eine Symbiose mit Bakterien ein. Knöllchenbakterien bilden an den Wurzeln der Leguminosen Knöllchen, in denen sie leben. Sie binden den Stickstoff der Luft und versorgen die Pflanzen damit.

Apropos wachsen. Inzwischen werden bei uns auch Südfrüchte angebaut. Eine positive Entwicklung?

Kichererbsen, Melonen oder Süßkartoffeln gedeihen wunderbar in unseren Böden. Die Frage ist, ob diese Produkte auch vom Verbraucher angenommen werden. Unsere Böden und das Klima sind jedenfalls nicht das Problem. Ich finde, dass die in Deutschland angebauten Lebensmittel genauso schmackhaft sind wie ihre Verwandten aus den südlichen Ländern. Vor allem, weil sie bei uns geerntet werden, wenn sie reif sind. Die Importware dagegen wird erst auf dem Transportweg reif.

Mal ehrlich, geht es ohne Pflanzenschutzmittel?

Wir haben uns eine Landwirtschaft aufgebaut, die uns vielfältig, hochwertig und möglichst ohne Verwendung von Zusatzstoffen ernähren soll. Unsere Gesellschaft ist an volle Regale gewöhnt. Aber was ist, wenn eine Ernte auszufallen droht wegen eines Pilzbefalls oder einer Krankheit? In dem Fall müssen Pflanzenschutzmittel angewendet werden. Genauso wie wir in bestimmten Fällen Antibiotika zu uns nehmen und auch froh darüber sind, dass wir diese Medikamente haben.

Unsere Gesellschaft ist an volle Regale gewöhnt

Kann man die Pflanzen fit halten?

Grundsätzlich gibt es viele prophylaktische Maßnahmen, die einen reduzierten Einsatz von Pflanzenschutzmitteln erfordern oder diesen sogar überflüssig machen. Dazu gehört die Gesunderhaltung des Bodens mit all seinen diversen Bewohnern und eine intelligente Abfolge von Zwischenfrüchten. Ein Feld sollte nicht brachliegen. Pflanzen wie Klee werten den Boden auf und verstärken die Humusschicht. Landwirte, die ihre Böden nicht wenden, wirken Erosionen entgegen, die gerade bei Starkregen auftreten können. Auch die modernen und digitalen Maschinen unterstützen die Landwirte bei einer regenerativen Bewirtschaftung ihrer Flächen. Ich glaube, wenn die Wissenschaft mehr mit der Landwirtschaft zusammenarbeiten würde, könnten alle Seiten noch mehr inspiriert werden.

Haben Sie ein Beispiel für solch eine Inspiration?

Es müssen nicht immer Reinkulturen gepflanzt werden. Mischkulturen haben viele Vorteile. In Südeuropa werden aktuell Olivenbäume von einem Bakterium angegriffen, das durch Insekten wie Zikaden übertragen wird. Die Olivenbauern versuchen, Tagetes zwischen die Baumreihen zu setzen. Den Duft der sogenannten Studentenblume können Insekten nicht leiden. Bei uns würden Bohnen und Kartoffeln gut zueinander passen, denn das Solanin der Kartoffeln vertreibt Getier, das sonst die Bohnen anknabbern würde. Die Herausforderung ist allerdings, beide Pflanzen effizient zu ernten.

DIE BIOPIONIERE | Der Pflanzenflüsterer David Spencer erforscht Pflanzen und spricht darüber

Ist Ökoanbau die Lösung?

Es ist politisch gewollt, dass wir mehr Ökolandbau betreiben. Aber es ist ein Irrglaube, dass dort keine Pflanzenschutzmaßnahmen angewandt werden. Getreide kann zum Beispiel von Pilzen befallen werden. Das ist nicht gesundheitsschädigend, aber verunreinigt die Ernte. Deshalb sprühen Biobauern Kupferpräparate. Das Kupfer verbleibt im Boden und wird nicht abgebaut. Für mich spielt die Pflanzenzüchtung eine wichtige Rolle, denn sie schafft Resistenzen gegen Pilze und Pflanzenkrankheiten.

Welche pflanzenzüchterische Erfindung beeindruckt Sie besonders?

Gregor Mendel hat Herausragendes geleistet. Seine Regeln von 1866 gelten immer noch und sind Basis der modernen Pflanzenzüchtung. Heute wissen wir, welche Gene wofür zuständig sind. Mit neuen gentechnischen Verfahren können wir die Resistenzen unserer Pflanzen steigern, sodass immer weniger Schutzmittel notwendig sind. Leider machen uns manche Politiker weis, wir bräuchten diese Verfahren nicht, aber das liegt nur daran, dass sie ihre Karrieren auf diesen Theorien aufgebaut haben. Die neue Gentechnik ist nicht riskanter als die genetischen Eingriffe, die wir schon vor Jahrhunderten vorgenommen haben.

Noch ein Wunsch zum Abschluss

Ich fände es gut, wenn wir weiter Pflanzen züchten, die eine vielfältige Nutzung ermöglichen. Zum Beispiel Raps. Aus der Pflanze macht man gleichzeitig Speiseöl, Futtermittel und Biotreibstoff.