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Fotos: privat

Besonders angetan war Regine Blaschke von den frei laufenden Hühnern und dem mobilen Stall

Landwirtin für einen Tag

Statt Rettungswagen mal Traktor

Regine Blaschke wollte wissen, wie der Alltag eines Landwirts abläuft. Deshalb bewarb sich die Rettungsdienst­mitarbeiterin bei der Aktion „Landwirt für einen Tag“ des Netzwerks Forum Moderne Landwirtschaft

Woran erkennt man, ob das Huhn ein weißes oder ein braunes Ei legt? Jens Häußermann wusste die Antwort sofort, und seine Besucherin Regine Blaschke staunte nicht schlecht. Die Lösung lautet: Man erkennt es an der Ohrmuschel des Huhns. Ist sie weiß, kann man davon ausgehen, dass auch das Ei weiß ist. Ist sie dunkel, ist das Ei in der Regel braun.

Überhaupt zeigte sich die Notfallsanitäterin begeistert von dem großen Fachwissen, über das die Häußermanns verfügen, und über die hohen Anforderungen, mit denen die Landwirtsfamilie täglich konfrontiert wird. „Ich kann jetzt verstehen, warum so viele Höfe sterben“, sagte sie am Ende ihres Besuchs auf dem Micheleshof in der baden-württembergischen Gemeinde Leutenbach.

Am mobilen Hühnerstall konnte ­Regine ein Huhn auf den Arm nehmen und das fluffige Gefieder auf ihrer Haut spüren

Stadtmensch trifft aufs Landleben

Doch zurück zum Anfang: Einen ganzen Tag lang besuchte die bei Stuttgart lebende 47-Jährige die Familie Häußermann, die in zwölfter Generation den Betrieb mit zwei Hühnermobilen und zwei Hofläden führt und auf ihren 120 Hektar großen Feldern unter anderem Erdbeeren, Kartoffeln, Weizen, Soja, Karotten und Rhabarber anbaut.

„Ich bin ein typischer Stadtmensch. Leider“, sagt Regine Blaschke. „Aber ich liebe die Natur und finde alle Berufe spannend, die sich mit der Produktion von regionalen Lebensmitteln, Ernährung, Gesundheit und Nachhaltigkeit auseinandersetzen.“ Bereits im vergangenen Jahr bewarb sie sich über Instagram bei der Aktion „Landwirt für einen Tag“, die vom Forum Moderne Landwirtschaft schon im fünften Jahr organisiert wird. Im Mai ging ihr Wunsch in Erfüllung. Und das Beste: Der landwirtschaftliche Betrieb, bei dem sie hinter das Hoftor schaute, lag nur wenige Kilometer von ihrer Wohnung entfernt.

Um gut vorbereitet zu sein, setzte sich Regine Blaschke, die in ihrem beruflichen Alltag um das Wohl kranker und verletzter Patienten kämpft, mit Jens Häußermann in Verbindung, dem Juniorchef des Micheleshofs. Sie solle sich möglichst Gummistiefel anziehen und Kleidungsstücke, die dreckig werden dürften, empfahl ihr der junge Landwirt.

Regine war sehr interessiert. Sie hat sofort mit zugepackt, und wir ­erklärten alles, was sie wissen wollte

Jens Häußermann

„Pünktlich um acht Uhr war ich auf dem Hof. Als Erstes besichtigten wir den mit grünem Licht beleuchteten Kartoffelkeller. Grün, damit die Kartoffeln nicht austreiben. In riesigen Behältnissen werden hier die Kartoffeln gelagert“, erzählt die Baden-Württembergerin. „Ein hypermodernes und intelligentes Lüftungssystem sorgt für die richtige Temperatur. In diesem Lagerkeller werden auch die Kartoffeln mithilfe großer Maschinen sortiert und verpackt. Darüber habe ich mir vorher noch nie Gedanken gemacht,“ beschreibt Regine Blaschke das Erlebte. „Richtig gestaunt habe ich über den großen Kartoffelernter. Ich wünschte mir, ich dürfte darauf einmal mitfahren.“

Später ging es zu den Erdbeerfeldern, wo Regine Blaschke viele Fragen zur Düngung, zum Pflanzenschutz und zu den Arbeitsbedingungen der Pflücker stellen konnte. „Regine war sehr interessiert“, ist Jens Häußermann aufgefallen. „Sie hat sofort mit zugepackt, und wir erklärten alles, was sie wissen wollte.“

Aktion mit Tiefgang

Bereits zum zweiten Mal machen die Eigentümer des Micheleshof mit bei der Aktion „Landwirt für einen Tag“. „Es ist eine gute Möglichkeit, mit Menschen ins Gespräch zu kommen, die sonst nichts mit der Landwirtschaft zu tun haben“, sagt der Landwirt. „Die meisten können sich einfach nicht vorstellen, wie kräftezehrend und anspruchsvoll es ist, wenn der eigene Erfolg vom Wetter abhängt. Wir hatten im Juni Starkregen mit Überflutungen, Hagel und Sturm. Das beeinflusst intensiv die Frühkartoffel- und Erdbeerernte“, erläutert der studierte Agrarwissenschaftler.

Doch statt zu resignieren, erweitert die Familie stetig ihre Produktpalette, die sie in zwei Hofläden anbietet. Dazu gehören unter anderem frische Eier von ihren Freilandhühnern, die sie in mobilen Hühnerställen halten.

Mit TV-Team: Am Tag, als Regine auf dem Micheleshof zu Besuch war, drehte ein TV-Team einen Beitrag über den Betrieb. Im Vordergrund oben Jens Häußermann

„Mein Obst, Gemüse und Eier kaufe ich ab jetzt nur noch in den Hofläden der Häußermanns“, hat Regine Blaschke entschieden. „Sie liegen nicht weit weg von meinem Zuhause, und jetzt weiß ich auch genau, welcher Aufwand und wie viel Liebe in den Produkten stecken.“

Regine Blaschke wäre gerne noch länger auf dem Hof geblieben. Sie hat viele spannende Eindrücke gesammelt und Menschen mit viel Sachverstand getroffen. „Die Häußermanns kennen nicht nur jedes Unkraut auf ihren Feldern und wie man dieses möglichst schonend entfernt, sie wissen auch so viel über ihre Tiere. Es war eine Freude, den Micheleshof zu besuchen“, sagt die „Landwirtin für einen Tag” zum Abschluss der Aktion.

Und warum der Hof Micheleshof heißt, weiß Regine Blaschke nun auch. Seit 1676 war es immer ein Michael, der den Betrieb geleitet hat. Deshalb heißt auch Jens Häußermann mit Zweitnamen Michael.