Neustart

Fotos: Grafthof

Auf rund 300 Quadratmetern züchtet Eckard Janssen Bio-Edelpilze bei einer ­konstanten Temperatur von 15 Grad ­Celcius

Auf den Pilz gekommen

Durch eine Futtermittelvergiftung verlor Landwirt Eckard Janssen mehr als 6000 Schweine. Als Edelpilzanbauer gelang dem 34-Jährigen der Neustart. Zehn biozertifizierte Pilzsorten wachsen inzwischen auf dem Grafthof in Neuharlingersiel. Die Nachfrage nach den nährstoffreichen Delikatessen aus Ostfriesland ist groß

Eckard Janssen

Foto: Grafthof

Der Grafthof in Ostfriesland ist ein Paradies für Feinschmecker: In den Gebäuden lagern auf langen Regalflächen jede Menge mit Pilzsporen beimpfte Substratblöcke übereinander, die „Pilzgärten“ von Eckard Janssen. „Der Anbau von Edelpilzen ist eine Wissenschaft für sich“, sagt der Landwirtschaftsmeister lachend. Vorsichtig zieht er einen der strohgefüllten Blöcke nach vorn und zeigt auf einige kleine Pilzansätze, die sich bereits einen Weg durch das Substrat nach außen gebahnt haben. Je nach Pilzsorte dauert der Durchwachsungsprozess zwischen drei Wochen und zwei Monaten. „Sobald die feinen Pilz zellfäden das Substrat durchwachsen haben, werden die Blöcke in den Fruchtkörperraum umgelagert. Neben einer speziellen Befeuchtungs- und Lichtanlage sorgt eine konstante Temperatur von 15 Grad Celsius dafür, dass die Bio-Edelpilze innerhalb von etwa zehn Tagen ihren Fruchtkörper bilden können“, erklärt Eckard Janssen, der seit 2020 auf dem ostfriesischen Grafthof als Pilzanbauer tätig ist.

Auf dem Grafthof in ­Ostfriesland werden seit einem tragischen Schicksalsschlag Pilze gezüchtet

Hobby wurde zum Beruf

Seine Idee, sich mit dem Anbau von Edelpilzen eine berufliche Existenz aufzubauen, entstand durch einen tragischen Schicksalsschlag. „Bis 2018 haben meine Eltern und ich einen Schweinezuchtbetrieb geführt. Aufgrund einer Dürreperiode gab es damals nicht genügend Futter für die Tiere, sodass wir gezwungen waren, dieses im Ausland zu kaufen“, berichtet Eckard Janssen. Der große Schock: „Das Futter war so schwer belastet, dass es zu einer Futtermittelvergiftung kam und wir unseren gesamten Tierbestand erlösen mussten.“ Der Familienbetrieb stand vor dem wirtschaftlichen Aus. Doch Eckard Janssen gab nicht auf und machte kurzerhand sein Hobby zum Beruf. „Der Pilzanbau hat mich schon lange fasziniert. Mein Wissen habe ich mir selbst angeeignet. Ich habe mich im Internet über die Anbaumöglichkeiten informiert und an zahlreichen Schulungen und Beratungen teilgenommen“, berichtet der Ostfriese.

Zehn Edelpilzsorten in Bioqualität

Mit Shiitake-Pilzen startete der 34-Jährige seine ersten Anbauversuche, die er mit viel Gespür und Geschick in den letzten vier Jahren kontinuierlich ausbaute. Seine „Glücks“-Pilze sind mittlerweile sehr begehrt. Vom Austernpilz über den zitronengelben Limonenseitling bis hin zum Pom-Pom-Pilz, auch Igelstachelbart oder Löwenmähne genannt, vermarktet der ehemalige Schweinezüchter zehn verschiedene Edelpilzsorten in Bioqualität. Auf einer Anbaufläche von 300 Quadratmetern erntet der Pilzanbauer jede Woche rund 500 Kilogramm der kulinarischen Köstlichkeiten. Erntefrisch von der Nordsee werden die schmackhaften Delikatessen auf Wochen- und in Supermärkten in der Region zum Kauf angeboten. Auch in zahlreichen Feinschmeckerrestaurants stehen die würzigen Edelpilze vom Grafthof deutschlandweit auf der Speisekarte.

Verkauft werden die Pilze vor allem auf ­Wochen- und in Supermärkten

Reich an Proteinen und Nährstoffen

„Pilze schmecken nicht nur richtig lecker, sie enthalten auch viele wertvolle Nährstoffe und Vitamine, die für eine gesunde Ernährung wichtig sind“, beschreibt Eckard Janssen die natürlichen Superkräfte, die in den Powerpilzen stecken. Durch eine extra starke Lichtquelle, die der Landwirt im Fruchtkörperraum installiert hat, ist der Vitamin-D-Gehalt seiner Pilze besonders hoch; zwischen 10 und 15 Stunden werden sie täglich beschienen. Zahlreiche seiner Pilzsorten sind sogar für ihre heilende Wirkung bekannt. So sollen beispielsweise Shiitake, Maitake und Pom-Pom das Immunsystem stärken und blutdrucksenkende Eigenschaften besitzen. Doch nicht nur Menschen profitieren von dem Verzehr. „Schweine haltende Betriebe verfüttern Shiitake-Substratblöcke an ihre Tiere. Da die Pilze entzündungshemmende Eigenschaften haben sollen, tragen sie zum Wohlbefinden und der Gesunderhaltung der Tiere bei“, weiß der Pilzanbauer zu berichten.

Pilze als Fleischersatz

Gemeinsam mit örtlichen Gastronomen arbeitet Eckard Janssen ständig daran, schmackhafte Pilzprodukte als Fleischersatz zu entwickeln. Pilzbasierte Burgerpattys, Bratwurst und Bolognese zählen genauso dazu wie eine Suppe aus Edelpilzen. „Aus Pom-Pom-Pilzen kann eine Art Steak zubereitet werden. Diese kommen ebenfalls sehr gut an“, freut sich der kreative Pilzanbauer.

Pilze und Proteine

In der vegetarischen und veganen ­Ernährung spielen Pilze eine wichtige Rolle als pflanzliche Proteinquellen. Je nach Pilzsorte variiert der Eiweiß­gehalt. Champignons enthalten 4 Gramm Eiweiß pro 100 Gramm, ­Austernpilze 3 Gramm und Steinpilze sogar 5,6 Gramm. Im Vergleich dazu stecken in Gemüsesorten wie zum Beispiel in Salat 1,2 Gramm Protein. Gut zu wissen: Pilze sind kein Gemüse. Laut dem Bundeszentrum für Ernährung werden Pilze nicht den Pflanzen zugeordnet, sondern bilden eine eigene Kategorie namens Fungi (lat. für Pilze). Im Gegensatz zu Pflanzen findet in Pilzen keine Fotosynthese statt, um Energie aus Sonnenlicht zu gewinnen. Pilze zersetzen organisches Material und nehmen dadurch Nährstoffe auf.

Großer Kopf, gute Qualität

Wer auf dem Wochenmarkt oder im Supermarkt frische Pilze kaufen möchte, muss ein wichtiges Qualitätsmerkmal im Blick haben: „Ein großer Kopf mit einem hohen Lamellenanteil ist ein Zeichen dafür, dass der Pilz in einer Umgebung mit einer guten Luftqualität aufgewachsen ist. Bei Austernpilzen, Kräuter- oder Limonenseitlingen lässt sich dies sehr gut erkennen“, verrät Eckard Janssen. Sein Tipp: Pilze mit kleinen „Kümmerköpfen“ und langen Stielen besser meiden. Ein weiteres No-Go: „Bitte die Pilze nicht abwaschen, sie saugen sich schnell mit Wasser voll und verlieren dadurch an Aroma. Einfach vorsichtig mit einem Tuch abwischen, dann behalten sie ihren unvergleichlichen Geschmack.“ Wir wünschen guten Appetit!